Dienstag, 31. Juli 2018

Größter Baukartell-Skandal der Schweiz in Graubünden.

 
Seit Jahren wurde von der WEKO, der Wettbewerbskommission, ermittelt. Es wurden Bußgelder von 7,5 Millionen Schweizer Franken gegen sieben Baufirmen  des Unterengadin verhängt.
Inzwischen hat der Große Rat Graubündens 115:0 eine PUK, eine parlamentarische Untersuchungskommission, eingesetzt.
Es soll angeblich über Jahre zu Preisabsprachen und anderen Absprachen gekommen sein.
Organisator des Ganzen soll der Baumeisterverband(Bauunternehmerverband) gewesen sein. Wie es scheint, sind bisher keine Gerichtsverfahren  gegen Unternehmer, Verwaltungsangehörige, Richter oder die Kantonalpolizei  Graubünden anhängig.
Praktisch alle Bauunternehmen des Unterengadin waren beteiligt.
Bis einer ausschärte: Adam Quadroni. Der Whistleblower fand bei den Verwaltungs-und Polizeistrukturen und der Politik Graubündens nicht nur keine Unterstützung, sondern wurde sogar unter üblen Umständen verhaftet und gemobbt.
Was die Zeitungen der Ostschweiz berichten,  spricht für ein unglaubliches Mobbing-Szenario mit Morddrohungen und allen sonstigen Beigaben. Die dafür verantwortlichen personellen Strukturen und Interessenverflechtungen sind das eigentlich Interessante.
Man stelle sich das vor: 10-20 Baufirmen mit ihren Leitungen und Mitarbeitern, ihre eigenen Sicherheitsdienste und engagierten Sicherheitsfirmen, deren Rolle  als Mobbinginstrumente besonders zu untersuchen sind, die Verbindungen zur Bauverwaltung und Politik  in Gemeinden und Kanton, Verbindungen zu Kantonalpolizei und Justiz.
Bei aller Vorsicht sieht das Ganze nicht nach einem einfachen Baukartell-Skandal aus, sondern nach einem veritablen Demokratieproblem Graubündens. Hier scheint es        eine Art Nebenregierung, eine illegale Wirtschaftsregierung mit einer eigenen Exekutive in Teilen der Kantonalpolizei und mit privaten Sicherheitsdiensten gegeben zu haben.
Die Wahlen der Graubündener Regierung in 2018 wurden erheblich vom Baukartell-Skandal überschattet.
Die BDP, eine Abspaltung der SVP aus 2007, zog einen ihrer Kandidaten für die Wahl zur Regierung Graubündens Andreas Felix, Geschäftsführer des Baumeisterverbandes, zurück. Äußerst knapp gewählt wurde ihr zweiter Bewerber  Volkswirtschaftsdirektor Parolini, der früh von dem Baukartell erfahren haben soll, aber untätig blieb. Sein unterlegener Konkurrent für den 5.Regierungssitz Walter Schlegel war als Polizeiführer für die Verhaftung des Whistleblowers unter unwürdigen Umständen verantwortlich.
Durch die Absprachen dürften die betroffenen Immobilien  und Baumaßnahmen im Preis um ca. 30 Prozent zu hoch gelegen haben. Hat das Folgen  für Banken und kommunale Auftraggeber ?
Zur vordergründigen Beruhigung der Schweizer: Kurz vor der Reise ins Oberengadin habe ich im deutschen Fernsehen eine ältere Sendung gesehen, offensichtlich aus der Zeit, als noch kritische Dokumentatationen produziert wurden: Man konnte sich fast fragen, in welchem Teil der deutschen Wirtschaft es eigentlich keine Kartellabsprachen gegeben hat.

Ergänzung 19.8.2018 :
Bei der Beschlussfassung des Großen Rates Graubündens  über die Einsetzung der ersten PUK in der Geschichte Graubündens gab es zwar einen einvernehmlichen Beschluss. Ein wichtiger Punkt war aber durchaus kontrovers.Es ging um die Stellung der Regierung bei der Kommissionsarbeit. die Geschäftsführungskommission des Großen Rates(GPK) hatte der Regierung in Art.10 weitreichende Kompetenzen eingeräumt, wogegen insbesondere die SVP-Fraktion des Großen Rates opponierte. Ein Gegenantrag des Abgeordneten Jan Koch(SVP) zu Art.10 des Einsetzungsbeschlusses wurde vom Großen Rat mit 94:21 Stimmen abgelehnt. Die SVP sah die Regierung als Betroffene und wollte die PUK möglichst unabhängig arbeiten sehen.
immerhin ist Jan Koch(SVP) Mitglied der PUK geworden.
Das Kleingedruckte bei Untersuchungsaufträgen ist bekanntlich häufig von außerdordentlicher Bedeutung für den Erfolg der Arbeit.
Die Regierung untersucht übrigens auch selbst.
Ich hoffe ja, dass sich Schweizer Politikwissenschaftler einmal kritisch mit dieser causa beschäftigen.
Rein theoretisch wäre ohne die Veröffentlichung des Berichts der WEKO und die Verhängung der Sanktionen ein Wahlergebnis bei der Wahl der Regierungsräte möglich gewesen, bei dem drei Regierungsräte hätten gewählt werden können(zwei BDP, ein SVP), die bei vielen als Betroffene gelten.(Regierung: 5 Mitglieder) Hier schließen interessante  Fragen an.