Mittwoch, 24. November 2010

Zisterzienserinnen-Abtei Waldsassen


In der Oberpfalz nahe der Grenze zu Tschechien liegt die Zisterzienserinnenabtei Waldsassen, die von der Stiftsbasilika überragt wird. Die Abtei ist besonders berühmt durch ihre Bibliothek.

Eine sehr kleine Zahl von Zisterzienserinnen, weniger als zehn, managen Klosterladen, Haus Joseph-ein Tagungshotel in altem, entkerntem Gemäuer, Stiftsbibliothek, Klosterschule und Klostergarten. Die weitere Renovierung läuft. So überrascht es nicht, dass die Äbtissin Lätitia Fech 2009 die Bayrische Verfassungsmedaille in Silber erhalten hat.

Allerdings hat das Kloster immer noch gegenüber einer Zimmerfront des Hauses Joseph eine etwas baufällige Häuserreihe, die fast so etwas wie mittelalterliches Flair vermittelt. Die Zimmer sind modern eingerichtet. Die Fenster und dicken Klostermauern halten jeglichen Lärm ab. Die Gastronomie ist engagiert und überzeugend.

Vielleicht kriegt man auch noch, wenigstens am Wochenende, regelmäßige Führungen in der Stiftsbasilika hin.

Das Interessanteste der gesamten Abtei ist jedoch die Stiftsbibliothek. Allein diese rechtfertigt schon einen Besuch.

Zunächst als Pultbibliothek unter Abt Georg I.(1495-1512) erbaut , entstand sie im 18.Jahrhundert neu und größer. Die heute noch bemerkenswerte Inneneinrichtung entstand unter dem Abt Eugen Schmid(1724-1764), der vorher Stiftsbibliothekar gewesen war.

Von den ursprünglichen Büchern sind nur noch wenige erhalten, allein 15000 gelten als verschwunden.

Unter den Emporen der Bibliothek befinden sich 10 geschnitzte Tragefiguren, die keine statische Funktion haben. Ihre Bedeutung ist angeblich immer noch nicht geklärt.

Es gibt für diesen Zyklus großformatiger Schnitzfiguren anscheinend keine Parallele. Kostümierung und Mimik lassen eine Nähe zu Narrendarstellungen, egerländischen Fastnachtsfiguren oder Figuren der Comedia dell´Arte erkennen(Sebastian Brant, Abraham a Sancta Clara). Der Abt Eugen Schmid wollte den Mönchen u.a. mit diesem ambitionierten Figurenprogramm des Schnitzers Karl Stilp die Laster und Versuchungen der Welt ständig vor Augen führen. Auflehnung, Dummheit, Arroganz, Eitelkeit, Aufschneiderei, Ignoranz, Hochmut, Verschlagenheit, Neugierde, Heuchelei werden symbolisch dargestellt.

Ein künstlerisch interessierter, pädagogisch ambitionierter und von einem skeptischen, aber eher realistischen Menschenbild auch im Kloster ausgehender Abt. Dieser Eugen Schmid scheint über die Klostergeschichte hinaus von Bedeutung. Vielleicht ein interessanter Forschungsgegenstand.

Bedauerlich nur, dass längs über die Decke der Bibliothek Klebestreifen geklebt sind. Einer verdeckt auch die Augen des Abtes, der an der Decke verewigt worden ist. Ein Anschlag auf einen kritischen Geist der Klostergeschichte? Wer ist eigentlich für die Renovierung verantwortlich?

Übrigens stört mich in vielen katholischen Einrichtungen bei Führungen ein unkritischer Umgang mit der Kirchengeschichte.